Medmix.Header.SkipLinkLabel
Numerical-Flow-Simulation-of-mixers-1150x1184

Numerische Strömungssimulation von Mischern

MISCHTECHNOLOGIE DER MEDMIX AG – Strömungssimulationen oder CFD (Computational Fluid Dynamics) sind ein etabliertes Verfahren zur Analyse und Lösung von Strömungsproblemen mit Hilfe von Computern. Mit dieser Methode ist es möglich, das innere oder äußere Strömungsfeld eines Produktes virtuell zu untersuchen, bevor ein erster Prototyp hergestellt wird. Auf diese Weise kann eine Entwurfsvariante realistisch analysiert und gegebenenfalls durch konstruktive Anpassungen optimiert werden. Im besten Fall werden später nur wenige notwendige Tests durchgeführt. So können CFD-Simulationen die Entwicklungszyklen beschleunigen und zu einer Reduzierung der Entwicklungskosten führen.


1.1.Einführung in CFD

Mittels CFD werden die in der Strömungsdynamik geltenden Gesetze näherungsweise numerisch gelöst. Die komplexen partiellen Differentialgleichungen werden dafür meist mittels des Finite-Volumen -Verfahrens gelöst. Dazu wird die gesamte Berechnungsdomäne in kleinste Kontrollvolumina unterteilt. Dies nennt man Diskretisierung des Problems mit einem Rechengitter. Ziel dieses Abschnittes ist es, einen Überblick darüber zu geben, wie eine typische CFD-Simulation aufgebaut ist und wie sie während des Produktentwicklungsprozesses von Misch- und Applikationssystemen eingesetzt werden kann. Im Allgemeinen besteht eine typische CFD-Analyse aus drei Schritten:

  1. Vorbereiten der Simulation
  2. Ausführen der Simulation
  3. Auswerten der Simulation (Visualisierung, Parameterextraktion, Optimierung)


1.2. Vorbereiten der Simulation (Preprocessing)

Das Preprocessing umfasst alle Aktivitäten, die vor der eigentlichen Simulation durchgeführt werden. Dies beginnt mit dem Einsatz von CAD (Computer Aided Design) zum Aufbau der Geometrie und endet mit der Definition geeigneter physikalischer Grenzen Geometrieaufbereitung und -vereinfachung: Aus dem CAD-Modell wird das durchströmte Flüssigkeits-volumen extrahiert. In diesem Schritt ist es oft sinnvoll, geometrische Details zu entfernen, die für die beabsichtigte Analyse nicht wichtig sind. Dies können zum Beispiel kleine Löcher, Radien oder Gebiete ohne Strömung sein. Ziel dieser Arbeit ist es, die Komplexität des Modells zu reduzieren und sich auf die wesentlichen Details zu konzentrieren, um letztlich die Analysezeit und -kosten zu reduzieren, ohne jedoch an Genauigkeit zu verlieren. Diskretisierung: Jetzt wird das Flüssigkeitsvolumen in diskrete Zellen (das Netz) unterteilt. Das erzeugte Netz sollte fein genug sein, um die wichtigsten physikalischen Effekte zu erfassen. Die Art des Netzes sollte vorzugsweise hexaedrisch oder zumindest polyedrisch sein. Einfache tetraedrische Netze sind nicht geeignet, um angemessene Ergebnisse zu erzielen.

Figure1-Process of geometry preparation and discretization-1280x383Abbildung 1 - Geometriaufbereitung und Diskretisierung

Wahl der physikalischen Modelle: In Abhängigkeit davon, welche Fragen mit der Simulation beantwortet werden sollen, werden Simulationen mit unterschiedlicher Komplexität bezüglich der physikalischen Modelle und des numerischen Aufwands ausgewählt. Im einfachsten Fall wird ein Steady-State-Solver verwendet, um die Strömung eines inkompressiblen und isothermen Fluids in laminarer Strömung zu simulieren. Mehrkomponenten- oder Mehrphasenmodelle können hinzugefügt werden, um die Strömung mehrerer Komponenten zu berücksichtigen. Bei niedrigviskosen Materialien muss ein Turbulenzmodell zugeschaltet werden. Zur Lösung von zeitabhängigen Effekten oder Strömungsfluktuationen muss ein transienter Solver verwendet werden Randbedingungen und Stoffwerte: Im letzten Schritt werden die Eigenschaften aller beteiligten Fluide definiert. In physikalisch einfachen Simulationen sind dies die Flüssigkeitsdichte und -viskosität. In anspruchsvolleren Simulationen mit Wärmeübertragung oder im Fall von Mehrphasenströmung können dies auch zusätzlich noch die Wärmeausdehnung, die Wärmekapazität, die Oberflächenspannung und der Kontaktwinkel sein. Die Rand- und Anfangsbedingungen werden an den Grenzen des Simulationsbereichs definiert.


1.3. Ausführen der Simulation

Während der eigentlichen Simulation wird die um die Bilanzgleichungen für Mass, Energie und skalare Grössen erweiterte Form der sogenannten Navier-Stokes Gleichung gelöst. Diese Gleichungen können nicht direkt gelöst werden, sondern müssen mit Hilfe von Finite-Volumen Methoden numerisch approximiert werden. Da CFD-Simulation eher zeitaufwendig sind, ist es ratsam diese Simulationen parallel auf einem HPC-Cluster auszuführen

Figure-2-Convective form-1280x392Abbildung 2 - Convective Form der Navier-Stokes Impulsgleichung

1.4. Auswerten der Simulation (Postprocessing)

Im Postprocessing werden die Ergebnisse der CFD-Simulationsergebnisse ausgewertet. Dies kann grafisch in Form von Kontur-, Vektor- oder Stromlinienbildern und Videos oder quantitativ durch Zahlenreihen geschehen. Wie bei allen numerischen Simulationen empfiehlt es sich, die Plausibilität der numerischen Ergebnisse zu überprüfen. Dies kann durch den Vergleich mit groben Handrechnungen oder Messdaten ähnlicher Konstruktionen erfolgen.

Qualitative Strömungsanalysen werden oft grafisch mit Hilfe von Kontur- oder Vektorbildern durchgeführt. Meist sind die Druck- und Geschwindigkeitsfelder von besonderem Interesse. Im Falle von Mischsimulationen ist das Konzentrationsfeld der zu mischenden Komponenten von Bedeutung. Diese Bilder können analysiert werden, um kritische Gebiete in der Strömungsdomain zu finden, z. B. Orte mit hohen Druckverlusten oder unerwünschten Todzonen (Gebiete mit fast keiner Strömung).

Quantitative Strömungsanalysen von Variablen oder Strömungsparametern (z. B. Mischgüte oder Druckverlust) werden meist an vordefinierten Stellen innerhalb des Simulationsbereichs durchgeführt. Bei Simulationen von statischen Mischern ist beispielsweise der Verlauf der Mischqualität über die Mischerlänge von Interesse. Bei instationären Simulationen können diese Werte auch über die Zeit ausgewertet werden.

Figure-3-Mixing quality-1280x567Abbildung 3 - Mischqualität in einem statischen Mischer

Eine Kombination einer quantitativen und qualitativen Auswertung ist in Abbildung 13 dargestellt. Das zugrunde liegende Bild ist ein Konturplot des Konzentrationsanteils der Komponente B in einem statischen Mischer. Die überlagerte blaue Kurve zeigt den Verlauf des CoV (Coefficient of Variation), der ein Maß für die Mischqualität über die Mischerlänge ist. Während der CoV im Mischerkopf und Mischerauslass unverändert bleibt (keine Vermischung), nimmt er in den Mischelementen in einem Diagramm mit logarithmisch Achsenauftrag nahezu linear ab.


1.5. Vorteile von CFD gegenüber Messungen und ihre Grenzen

Heutzutage wird CFD in fast allen Bereichen eingesetzt, von der medizinischen Forschung bis zum Ingenieurwesen. Die wichtigsten Vorteile der Nutzung von CFD sind hier aufgelistet:

  • CFD kann als qualitatives Werkzeug zur Vorabbewertung verschiedener Designentwürfe eingesetzt werden. Konstrukteure und Analysten können diese Prototypen zuerst numerisch untersuchen und anschliessend müssen dann nur noch die vielversprechenden Entwürfe getestet werden. Dies führt zu einer erheblichen Zeit- und Kostenreduzierung im Entwicklungsprozess.
  • CFD kann Ergebnisse für Strömungsprobleme an Orten liefern, die einerseits mittels Messungen nur sehr schwierig zugänglich sind, oder wenn andererseits diese Messungen kritisch sind, weil beispielsweise gefährliche Substanzen getestet werden müssen.
  • CFD bietet die Möglichkeit, Produkte oder Systeme unter Bedingungen jenseits ihrer Grenzen zu untersuchen. Dies kann interessant sein, um zu verstehen, wie ein System bei falscher Anwendung reagiert.
  • CFD ermöglicht die Beobachtung von Strömungseigenschaften, ohne die Strömung selbst zu stören, was mit herkömmlichen Messinstrumenten nicht immer möglich ist.
  • CFD erzeugt schöne farbige Bilder und Diagramme, die einerseits helfen, das komplexe System graphisch besser zu verstehen. Anderseits können sie auch sehr gut für das Marketing eingesetzt werden, um z.B. Entwicklungspartner von der Funktionalität eines Produkts zu überzeugen.

Moderne CFD-Solver können ein breites Spektrum unterschiedlicher physikalischer Modelle verarbeiten. Mit zunehmender Komplexität (Mehrphasenströmungen, Mehrkomponentenströmungen, chemische Reaktionen, …) und hochgradig instationärem Verhalten mit physikalischen Phänomenen, die dazu noch auf verschiedenen Zeitskalen ablaufen, steigt der numerische Aufwand zur Erzielung aussagekräftiger Ergebnisse jedoch drastisch an. Hinzu kommt, dass die genauen Fluideigenschaften der zu mischenden Fluide oft nicht im Detail bekannt sind oder vertraulich sind. Und selbst das detaillierteste CFD-Modell ist schlussendlich immer noch nur eine besonders gute Vereinfachung der Realität. Daher sind Messungen in vielen Fällen immer noch das Mittel der Wahl und eine besonders wichtige Ressource zur Validierung der Simulationsmodelle. Es hat sich oft gezeigt, dass die besten Entwicklungsergebnisse mit einer gut durchdachten Kombination aus Simulationen und Messungen erzielt wurden.


Über den Autor:

"Joachim Schöck ist als «Senior Technology Expert» seit 12 Jahren bei Sulzer Mixpac respektive bei medmix Switzerland AG tätig. Seine Haupttätigkeit liegt in der Optimierung und Weiterentwicklung hochpräziser Applikations- und Mischsysteme. Dies geschieht zu großem Teil unter Einsatz von modernen Simulationswerkzeugen wie CFD und FEM. Ein weiterer Fokus richtet sich auf die Weiterentwicklung von Testmethoden zur Vorhersage der Mischgüte von 2K-Kleb- und Dichtstoffen."

Joachim Schock-1000x667